Kirchenbau und Expositur-Errichtung in Jägerwirth (1900 – 1904)
Am 06.04.1900 wurde, nach dem Weggang von Kooperator Tiefenböck, Josef Boher (Foto), bis dahin Seminarpräfekt am Knabenseminar St. Valentin in Passau, als Kooperator nach Fürstenzell angewiesen. Dieser wurde nun für den Schulstandort Jägerwirth zuständig und wurde daher schnellstens mit den Plänen und Hoffnungen auf einen Kirchenbau in Jägerwirth vertraut. In Jägerwirth gab es damals keine Neben- bzw. Filialkirchenstiftung noch eine kirchliche Pfründe, also keine kirchliche Organisation oder Institution, die befugt gewesen wäre, das Projekt gegenüber weltlichen und kirchlichen Stellen voran zu treiben. Daher schuf Boher zunächst eine rechtliche Basis für das Kirchenbauprojekt: Am 19.07.1900 wurde im Gasthof Peslöd mit 32 Gründungsmitgliedern der Kirchenbauverein Jägerwirth gegründet. Der Verein, der schließlich bis auf etwa 300 Mitglieder anwuchs, lieferte nachhaltig die finanzielle Basis für den Kirchenbau.
Der erste Schritt zur Realisierung des großen Vorhabens wurde der Bau des Expositurhauses (der spätere Pfarrhof), Baubeginn war am 16.10.1900, und im Sommer 1901 wurde der Bau fertiggestellt.
Am 02.09.1901 wurde der erste Spatenstich für die Kirche getan und der Sockel aufgemauert. Im Jahr 1903 schritt der Bau rasch voran, so dass am 12.10.1903 am Fest des Diözesanpatrons St. Maximilian, die Benediktion des neuen Gotteshauses vorgenommen und die erste Messe gehalten werden konnte.
Gottesdienste fanden in der neuen Kirche zunächst zweimal unter der Woche statt, wenn der Kooperator in Jägerwirth in der Schule war, sowie an Sonn- und Feiertagen durch Aushilfen von Passau her. Als schließlich der Kirchenbauverein beim Ordinariat beantragte, einen Expositus nach Jägerwirth abzustellen, der auf Kosten des Kirchenbauvereins zu unterhalten sei, wurde am 14.07.1904 Kooperator Boher als Expositus angewiesen, und konnte am 28.07.1904 in Jägerwirth einziehen. (Quelle: Pfarrchronik, S. 49-61, Autor: Dr. Herbert Wurster, gilt auch für die folgenden zwei Abschnitte)
Von der Expositur Jägerwirth zur Pfarrei (1904-1921)
In den folgenden Jahren entwickelte sich die Expositur (kirchenrechtlich die Vorstufe einer Pfarrei) ruhig weiter. 1908 gab es dann schon einen ersten Versuch von Expositus Boher, die Erhebung zur Pfarrei zu erreichen. Andere Bemühungen galten der Kirche und ihrer Ausstattung. Julius Kempf lieferte wieder Pläne, und zwar für Hochaltar und Seitenaltäre. Trotz intensiver Kritik an seinen Entwürfen, die sich am Turm von Schloss Egg bei Deggendorf bzw. am „Goldenen Dachl“ von Innsbruck orientierten, wurden diese schließlich doch verwertet. Zu den Bemühungen um die Ausstattung der Kirche gehörte auch die Installierung der von Martin Hechenberger zu Passau gelieferten Orgel 1913, an deren Prüfung der große Kirchenmusiker, der auch der Diözese stammende Regensburger Kanonikus Peter Griesbacher, teilnahm. Das bedeutendste Ereignis dieser Epoche war – neben dem großen weltgeschichtlichen Ereignis des Ersten Weltkriegs – die Konsekration des Hochaltars und der Kirche durch Bischof Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf am 20.08.1910 (Foto: Expositurhaus und Kirche im Jahr 1910)
Die eigenständige Pfarrei Heilige Familie Jägerwirth (1921- 2009)
Die Erhebung zur Pfarrei ist - wie die zur Expositur - in den diözesanen Kontext einzuordnen. Nach der vom Ersten Weltkrieg erzwungenen Pause in der Pfarrentwicklung setzte sie sich auch auf neuen staatskirchenrechtlichen Fundamenten fort, nachdem das Königreich abgeschafft und der Freistaat Bayern ausgerufen worden war. Die größere Unabhängigkeit der Kirche von den Staatsbehörden wurde von der Diözesanleitung dazu genutzt, zahlreiche Seelsorgestellen in den kanonischen Rang einer Pfarrei zu erheben. Waren 1920 erst vier neue Pfarreien eingerichtet worden, so konnte Bischof Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf im Jahre 1921 insgesamt 25 Pfarreien einrichten. Darunter waren eine ganze Reihe von Sprengeln, die erst wenige Jahre vorher als Exposituren gegründet worden waren; aus der Zeit des Bischofs Antonius waren dies neben Jägerwirth noch Anzenkirchen, Haidmühle, Kumreut und Amsham sowie die im gleichen Jahr (1904) wie Jägerwirth entstandenen Exposituren Ringelai und Wildenranna. Die Pfarrei Jägerwirth hat in der Entwicklung der Pastoralstruktur also mehrfache Geschwister, mit den Pfarreien Ringelai und Wildenranna ist sie von der Chronologie her besonders eng verbunden.
Nach entsprechenden Verhandlungen zwischen der künftigen Pfarrei, dem Staat und dem Ordinariat erhob Bischof Sigismund Felix Jägerwirth mit Urkunde vom 12. 3. 1921 zur kanonischen Pfarrei. Der Sprengel war folgendermaßen umschrieben:
Mit dieser Erhebung zur kanonischen Pfarrei war die Errichtung der Seelsorgestelle Jägerwirth abgeschlossen. Die großen und langen Mühen um deren materielle Sicherung sollten schon kurze Zeit später, durch die Inflation, wieder in Frage gestellt werden - doch die Geschichte ging weiter, und Jägerwirth kann heute, selbst nach den Umbrüchen der verschiedenen Reformmaßnahmen des späten 20. Jahrhunderts, sich der von den Vorfahren des 19. und 20. Jahrhunderts erarbeiteten Rolle als Mittelpunktsort und lebendiger kirchlicher Gemeinde erfreuen.
Von 1921 bis 1970 waren sechs Pfarrer in Jägerwirth: Johannes Köck, Anton Amann, Berhard Kagerer, Josef Müller, Pater Alfons Averbeck und Alois Wagner. Von 1970 bis 2009 wurde die Pfarrei von Maristenpatres aus Fürstenzell geleitet. Es waren dies Waldemar Bayerl, Fridolin Borker und Dr. Hermann Josef Zumsande.
Die Pfarrei Heilige Familie Jägerwirth im Pfarrverband Fürstenzell (2009 - heute)
Seit Herbst 2009 gehört die Pfarrei Heilige Familie zum Pfarrverband Fürstenzell, neben den Pfarreien Bad Höhenstadt, Engertsham und Fürstenzell mit der Filialkirche Rehschaln.
Betreut wird der Pfarrverband Fürstenzell von Pfarrer Christian Böck, Pfarrvikar Pater Joseph Amalraj, Gemeindereferentin Jenny Kinder und Ständiger Diakon Dr. Anton Cuffari.
Ein Bittbrief an den Bischof
"Wie Ew. Bischöfl. Gnaden bekannt ist, soll in Jägerwirt, einer teils zur Pfarrei Holzkirchen, teils zur Pfarrei Fürstenzell gehörigen Ortschaft, eine neue Kirche gebaut werden zwecks Errichtung einer neuen Seelsorgestelle.
Das Bedürfnis hierzu ist von Seiten Ihres Ordinariates, des Kgl. Bezirksamtes Passau und der Kgl. Regierung anerkannt und auf Grund dessen im letzten Herbste der Bau bereits begonnen worden, um so den 123 werktags-schulpflichtigen Kindern der dortigen Schule möglichst bald Gelegenheit zum Besuche der Gottesdienste und des allerheiligsten Sakramentes zu verschaffen, während jetzt ,namentlich zur Winterzeit, nicht der vierte Teil den sonn- und feiertäglichen Gottesdienst regelmäßig besuchen kann, da weitaus die meisten zu ihrer Pfarrkirche Holzkirchen resp. Fürstenzell einen Weg von fünf km, einzelne sogar einen solchen von sechs ja sieben Kilometern zurückzulegen haben und das auf größtenteils schlechten Feldwegen und in bergigem Terrain. Alte und kränkliche Leute müssen auf den Besuch des Gottesdienstes überhaupt verzichten...
...und so hat sich denn der ehrerbietigst unterzeichnete Kirchenbauverein an den Landtag gewendet um Zuteilung von fakultativen Staatsbeiträgen , desgleichen an Seine Königl. Hoheit den Prinzregenten um Genehmigung einer Kirchensammlung in den acht Kreisen des Königreiches und wagt es darselbe hiemit, auch an Ew. Bischöfl. Gnaden die erfurchtvollste Bitte zu stellen Ew. Bischöfl. Gnaden mögen ihn in der Erreichung seines Zieles durch huldvollste Zuwendung von Rentenüberschüssen vermöglicher Kirchenstiftungen der Diözese gnädigst unterstützen...." (Brief des Kirchenbauvereins an Bischof Anton von Henle vom 20.12.1901)